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#20 Seine Werte zu leben, ist scheiße – lohnt sich dennoch!

Heute wird’s kontrovers – oder auch nicht? In dieser Folge von WERR spricht! geht es darum, warum es verdammt schwer ist, die eigenen Werte wirklich zu leben. Klingt paradox, oder? Immerhin rede ich ständig davon, dass Unternehmen ihre Werte leben müssen. Und jetzt eine ganze Folge darüber, warum das nicht so einfach ist.

Wir tauchen tief ein in das Thema Unternehmenswerte, emotionale Prägungen und den echten (oft unbequemen) Prozess, Werte in den eigenen Alltag und in die Unternehmensführung zu integrieren. Ich erzähle, warum viele Führungskräfte an diesem Punkt scheitern, was emotionale Überforderung damit zu tun hat und wie du herausfindest, ob deine Werte wirklich deine sind – oder nur ein Produkt früherer Mängel. Klingt spannend? Dann hör rein!

Der Podcast in Worten – das Transkript für alle Leser:

Heute geht es darum, warum es scheiße ist, seine eigenen Werte zu leben. Wie? Rede ich hier doch die ganze Zeit davon, dass Unternehmen ihre Werte leben müssen und dann mache ich heute eine ganze Folge darüber, warum das eigentlich scheiße ist. Sorry für das Wort, ist in dem Fall ein literarisches Stilmittel oder so. Ich erkläre mal kurz, wie es zu dieser Folge kam. Eine Freundin hat mir erklärt, dass die Führungskräfte ihres Mannes so unterirdisch sind – was die meisten sicherlich nicht kennen – und wie man sich denn so verhalten könne als Führungskraft und diese ganzen Unternehmenswerte, die so kommuniziert werden, komplett ignorieren können. Die kurze Antwort darauf ist, weil es nicht leicht ist. Die lange folgt jetzt. Ich fange mal noch ein bisschen früher an.

Was wir machen können, ist uns an externe Verhaltensregeln zu halten, aber wir können keine Werte verkörpern, die nicht unsere sind oder die zumindest nicht mit uns resonieren. Zum Beispiel ist Pünktlichkeit kein wichtiger Wert für mich, jedoch weiß ich, dass es das für viele ist. Ebenso setzt man in unserer Gesellschaft Pünktlichkeit oft mit Respekt gleich.

Also versuche ich mein Bestes immer pünktlich zu sein, weil man das bei uns so macht und weil es mir wichtig ist, die Werte anderer Menschen zu schätzen. Mir persönlich ist es aber lieber, jemand kommt zehn Minuten zu spät, als fünf Minuten zu früh und das ist mein erster Punkt bei Unternehmenswerten.

 1. Identifikation mit Werten

Die Menschen, die in dem Unternehmen arbeiten, müssen sich mit den Werten identifizieren können oder zumindest mit den daraus folgenden Verhaltensweisen leben können, und sie dürfen nicht konträr zu den eigenen persönlichen Werten stehen, weil sonst geht es nicht lange gut.

Was wir nämlich nicht machen können, ist uns durchgehend zu verstellen, spätestens dann, wenn es stressig wird. Es gibt Menschen, die haben so Strategien in ihrem Leben entwickelt, das geht aber auf Dauer meistens auch nicht gut. Und jetzt sind wir schon beim zweiten Punkt.

2. Emotionen und Werte

Wenn es stressig wird und Emotionen ins Spiel kommen. Denn Emotionen sind das, was uns davon abhält, unsere Werte wirklich zu leben. In dem Fall meiner Freundin war die Führungskraft total überfordert. Und wenn ich mich jetzt mal in diese Führungskraft hineinversetze und das Gefühl habe, überfordert zu sein, ich darf aber nicht überfordert sein, weil ich bin ja Führungskraft. Und als Führungskraft muss ich die Antworten alle kennen. Ich muss immer vorangehen. Ich muss kompetent sein. Ich darf nicht versagen. Und schwupps, jetzt habe ich aber eine Angst. Ich könnte das Gesicht verlieren, nicht mehr ernst genommen werden, vielleicht sogar meinen Job verlieren. Also muss ich diese Schwächen jetzt ausgleichen. Ich muss meine Entscheidungen durchsetzen. Ich muss meine Position verteidigen. Ich muss meine Fassade aufrechterhalten und ein Statement setzen. Die anderen dürfen auf keinen Fall mitbekommen, dass ich gerade überfordert bin und Angst habe, weil was wäre ich denn dann für eine Führungskraft? Das klingt echt anstrengend, oder? Jetzt habe ich mich gerade mal für ein paar Sekunden gedanklich in diese Situation versetzt.

Und dieser Mensch hat das tagtäglich, das ist dem seine Realität oder ihre. Aber was jetzt schon auffällt, da ist dann kein Platz für Nachdenken. Da ist kein Platz zu schauen, was braucht es jetzt, um auf andere einzugehen.

Das ist Überlebens- und Verteidigungsmodus. Wer denkt denn da bitte noch an Wertschätzung, wenn man gerade versucht nicht unterzugehen? Man muss doch da ständig danach Ausschau halten, dass ein keiner angreift, niemand enttarnt. Da bleibt doch keine Kapazität für etwas anderes.

Ob diese Person jetzt geeignet ist als Führungskraft oder nicht, ist ein vollkommen anderes Thema. Da komme ich später noch dazu. Jedenfalls zeigt es uns, dass negative Emotionen uns daran hindern, unsere Werte zu leben.

Und ja, ich weiß, dass es eigentlich keine negativen Emotionen gibt, aber das führt jetzt für diese Folge zu weit. Ich packe es mal in ein Beispiel. Eine Unternehmerin, nennen wir sie Susi, hat den Wert Wertschätzung.

Und da gehört für sie auch die monetäre Wertschätzung dazu. Sie ist sowieso gern großzügig. War bis jetzt auch nie ein Thema. Alles ist gut gegangen. Dann liest sie ihre Mails. Ein großes Projekt, das eigentlich schon fixiert war, wird doch noch abgesagt. Noch dazu kam jetzt auch noch ein Nachricht rein über eine ungeplante Nachzahlung. Jetzt wird es eng. Beim Blick auf den Konto sieht sie, dass die eine Kundenrechnung noch nicht bezahlt ist und die Gehaltszahlungen stehen an. Zack, ist sie voll in dem alten Film drin. Die Existenzangst von früher ist wieder komplett da. Die Angst, dass das Geld nicht reichen wird, dass sie nicht alles zahlen kann. Wieso es überhaupt gehen soll? Muss sie jetzt ihre Mitarbeiterin kündigen oder gleich Insolvenz anmelden? Genau in dem Moment klopft sie an der Tür. Gott stimmt ja. Die eine Mitarbeiterin hat ja um ein Gespräch gebeten. Das hat sie total vergessen in dem ganzen Chaos. Also reißt sich Susi jetzt zusammen und los geht’s. Die Mitarbeiterin fragt wegen einer Fortbildung. Susi hatte ja gesagt, sie braucht nur Bescheid geben, wenn es was gibt, was ihnen wirklich weiterhelfen würde. Also fragt sie. Die kostet auch nur ca. 1000 Euro. Puh, das war der falsche Moment. Susi ist noch voll in der Existenzangst, überhaupt nicht in der Lage, rational mit der Situation umzugehen und stattdessen reagiert sie total entsetzt, wie sie sich denn das jetzt vorstelle.

Das ging auf gar keinen Fall. Kurzer Reminder, Emotion und Ratio passen selten zusammen. Wer fühlt, kann nicht denken.

Wer das jetzt als Argument in den nächsten Beziehungsstreit mitnehmen will, noch einen Hinweis, das bedeutet nicht, dass das, was gesagt wird, grundsätzlich falsch ist. So, und da sind wir jetzt, wo es scheiße wird, seine Werte zu leben. Denn wenn man seine Werte wirklich leben will, dann muss man sich hinsetzen, Zeit nehmen und wirklich hinschauen, was einen davon abhält, die eigenen Werte zu leben.

Mangelwerte

Das fängt damit an, dass man keine Mangelwerte als seine Werte definiert. Ein Mangelwert ist ein Wert, der aus einem früheren Mangel heraus entstanden ist. Sicherheit ist so ein Wert, der oft ein Mangelwert ist. Wenn früher keine Sicherheit da war, versucht man, heute den Mangel auszugleichen und immer für Sicherheit zu sorgen. Das Problem dabei ist allerdings, das ist ein bisschen so, wie wenn man immer versucht, die Schlaglöcher in der Straße zu stopfen, die man bereits gegangen ist, anstelle nach vorne schaut, um neue Wege zu finden. Aber damit man das nicht tut, muss man sich vorher erst mit dem Mangel auseinandersetzen, sonst realisiert man das gar nicht. Ich habe das immer wieder mal, dass Kunden und Kundinnen einen Mangelwert als ihre Firmenwerte aufnehmen wollen, ist nicht so zu empfehlen. Und hat man das dann soweit geschafft, dass man seine Idealwerte herausgearbeitet hat, ist die Arbeit aber noch nicht vorbei. Es erfordert konstante Achtsamkeit, immer wieder zu reflektieren, in den Moment zu kommen und wahrzunehmen, wenn es einen wieder aus der Spur und in die Emotionen haut.

Und das ist Arbeit und meistens keine Lustige, ich rede da aus Erfahrung. Aber ohne die geht es nicht. Und wichtig ist hier, das geht nicht von heute auf morgen. Es ist okay, wenn man es mal nicht schafft. Wir sind schließlich Menschen. Es ist nur die Frage, wie man damit umgeht.

Kommen wir nochmal zurück zu Susi, die gerade ganz und gar nicht wertschätzend mit ihrer Mitarbeiterin war. Das passiert, das ist okay. Wichtig ist nur, wie geht es weiter. Sie hat die Möglichkeit, ihre Mitarbeiterin nochmal zum Gespräch zu bitten, sich für ihre Art und Weise zu entschuldigen. Man kann auch als Führungskraft sagen, dass man gerade gestresst war und dass das der falsche Moment war. Dass sie nachgedacht hat, sie gerade kein finanzielles Commitment eingehen möchte, aber sich das gerne notiert und dann später nochmal drauf zurückkommt.

Oder vielleicht gibt es auch eine andere Lösung. Kurzfristig ist zwar gefühlt der Wert Sparsamkeit notwendig, der beißt sich aber nicht unbedingt mit den Werten Wertschätzung und Großzügigkeit. In dem Moment, wo man wieder einen Abstand zu den Emotionen bekommen hat, schaut die Welt erfahrungsgemäß immer gleich viel besser aus. Und den Abstand zu den Emotionen zu bekommen, ist auf der einen Seite Übungssache und auf der anderen Seite kann man auch die Prägung an sich bearbeiten, die zu der Angst führt. Da lohnt es sich dann meistens, sich Hilfe zu holen. Kommen wir nochmal zu unserer Führungskraft vom Anfang zurück.

Interne Stukturen und Prozesse anpassen

Die ist nicht unbedingt falsch auf der Position, aber sie braucht selbst Führung und Entwicklung. Ich zum Beispiel sehe es als meine Aufgabe als Unternehmerin an, dass meine Mitarbeiterinnen sich mit den Unternehmenswerten identifizieren können, wissen, was es wirklich bedeutet, sie zu leben, konkrete Handlungsanweisungen dazu zu haben. Also, dass sie die Strukturen und Prozesse die Unternehmenswerte unterstützen und nicht auch noch dagegen arbeiten. Das ist übrigens ein weiterer Punkt, warum die Werte lieber nicht gelebt werden. Als Unternehmerin oder Unternehmer muss man die internen Strukturen und Prozesse den Unternehmenswerten anpassen. Das kann jetzt bedeuten, dass man einiges auf den Kopf stellen muss und neu überdenken muss. Das ist Arbeit und auch die kann dauern. Aber das Gute ist, das muss auch nicht von heute auf morgen gehen.

Also, jetzt nochmal kurz zusammengefasst. Es ist gar nicht so leicht, die eigenen Idealwerte herauszuarbeiten und zu kennen, sich mit den eigenen Prägungen, Ängsten und Unsicherheiten usw. auseinanderzusetzen.

Das ist Arbeit und oft nicht lustig und viele haben davor wahnsinnig viel Angst, obwohl diese Angst meistens viel größer ist als alles andere. Als Unternehmerin oder Unternehmer kann es bedeuten, die gesamten Strukturen und Prozesse zu hinterfragen und umstellen zu müssen und man muss die Long-Term Goals vor die Short-Term Goals stellen.

Warum sollte man jetzt allerdings trotzdem versuchen, seine Werte zu leben?

  1. Weil es uns glücklicher macht, nach unseren Idealwerten zu handeln, als dagegen und auch weit weniger Kraft kostet.
  2. Weil wir dadurch greifbarer, vertrauenswürdig und authentisch werden und dadurch unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eher bei uns bleiben und gern bei uns arbeiten sowie auch mehr Kunden zu uns kommen.
  3. Zahlt es sich dann auch wirtschaftlich aus, weil so homogene, stimmige Prozesse entstehen können, die einerseits effizienter sind, eine bessere Zusammenarbeit ermöglichen und andererseits ein einheitliches Kundenerlebnis schaffen. Und
  4. ganz unwissenschaftlich, aus meiner eigenen Beobachtung heraus, ist es fürs Immunsystem besser.

Ich kenne so viele, mich selbst eingeschlossen, die oft krank wurden, als sie einen Job hatten, der nicht zu ihren Werten passte. Wenn du jetzt aber Unterstützung möchtest, deine Unternehmenswerte wirklich herauszuarbeiten und in dein Unternehmen zu bringen, melde dich gern bei mir. Ansonsten interessiert mich deine Meinung für oder gegen Werte natürlich brennend.

Wenn dir diese Folge gefallen hat und du mehr über wertebasierte Unternehmensidentität, Design, Persönlichkeitsentwicklung und über meine Reise als Unternehmerin erfahren möchtest, dann abonniere diesen Podcast WERR spricht, um keine Folge zu verpassen. Du kannst mir auf LinkedIn folgen oder auf meiner Webseite meinen Newsletter abonnieren, um noch mehr Inhalte und Updates zu bekommen.

Und wenn du Themenwünsche hast, die du gern in zukünftigen Folgen besprochen haben möchtest oder es etwas gibt, was du mich schon immer fragen wolltest, dann lass es mich wissen. Ich freue mich darauf, dich ein Stück bei deiner Reise als Unternehmerin oder Unternehmer zu begleiten.