Werr spricht! Mit Frank Sauer über Werte und Visionen
In dieser Folge von „Werr spricht“ habe ich einen ganz besonderen Gast: Frank Sauer, Gründer der Values Academy und Autor zahlreicher Bücher über Werte. Gemeinsam tauchen wir tief in die Welt der Werte ein und diskutieren, warum sie das Fundament von Unternehmen und Gesellschaft bilden. Frank teilt spannende Einblicke in seine Arbeit, erklärt die Unterschiede zwischen Werten und Tugenden und zeigt, wie Wertearbeit in Unternehmen transformative Veränderungen bewirken kann.
Wir sprechen über den Wert von Authentizität, warum Toleranz nicht dasselbe wie Akzeptanz ist und welche Werte in einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt unverzichtbar sind. Außerdem erfährst du, wie du Werte in deinem Unternehmen authentisch lebst und welche Rolle Feedback und Selbstreflexion dabei spielen.
Der Podcast in Worten – das Transkript für alle Leser:
Anna
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Podcast-Folge von Werr spricht. Heute zu Gast ist Frank Sauer, Gründer der Values Academy und Autor zahlreicher Bücher über Werte. Mit seiner langjährigen Erfahrung zeigt er, wie nachhaltige Veränderung möglich ist.
Ich freue mich mega, dass du heute bei mir im Podcast bist. Herzlich willkommen aus Köln, lieber Frank und ergänze auch gern noch die Dinge, die ich vergessen habe vorzustellen.
Frank
Also grundsätzlich hast du das alles schon gut treffend erkannt, ich beschäftige mich sehr intensiv mit Werten, habe mich vorher mit Unternehmenskultur, dem großen Wort, nur beschäftigt, bin dann irgendwann zu dem Thema Werte gekommen, was mich dazu bewogen hat, das, was ich damals vermisst habe, nämlich dass das Thema kodifiziert ist und zwar erschöpfend und nicht nur in einem religiösen Kontext, sondern eben auch in dem Kontext, in dem das heute gerne verwendet wird. Was mache ich sonst noch? Ich habe vier Kinder, bin 60 Jahre alt und freue mich jetzt, mit dir zu reden.
Anna
Sehr schön. Wenn du drei Worte wählen müsstest, die dich und deine Wertearbeit am besten beschreiben, welche wären das und welches Wort würde niemals passen?
Frank
Also niemals passt: langweilig.
Anna
Das kann ich bestätigen.
Frank
Was auf jeden Fall passt, ist nerdig. Man muss ein bisschen nerdig veranlagt sein, was ich jetzt positiv darstellen will. Weil je tiefer man gräbt, umso tiefer kommt man. Das hast du ja wahrscheinlich auch schon festgestellt.
Anna
Ja.
Frank
Dann fehlen jetzt noch zwei Wörter, die passen. Ich würde sagen Leidenschaft und – das reicht ja eigentlich schon.
Anna
Wenn es kein drittes gibt, ist es auch okay.
Frank
Naja, fällt mir hier bestimmt noch ein.
Anna
Wir haben ja noch ein bisschen, wir fangen gerade erst an. Warum hattest du damals die Values Academy gegründet? Was war dann die Vision dahinter?
Frank
Zunächst, bevor die Values Academy existierte, existierte ja das Unternehmen „Da Vinci 3000“. Das ist das Beratungsunternehmen, mit dem ich das Thema Unternehmenskultur vornehmlich in die Welt getragen habe. Ich habe 1998 schon die ersten Workshops bzw. Seminare für mittelständige Unternehmer in Hamburg damals gegeben.
Und irgendwann, das war Weihnachten, kam mein Sohn auf mich zu. Der war damals noch Schüler. Und hat das immer so mitbekommen, was ich da mache. Und hat meine Website kritisiert, die ich damals gebaut habe, die Wertesysteme.de. Die ist jetzt mittlerweile tot. Und er sagte: Papa, das ist alles so altbacken und so langweilig. Das muss mehr digitalisiert werden und das muss frischer sein. Und dann habe ich gesagt, super, machst du es. Ja, und dann sagt er, ja, machen wir. Aber du hast ja eh vor, irgendwann international zu gehen. Und dann, was hältst du davon, wenn wir das Values Academy nennen? Und das war dann, das war die Idee. Allerdings erst viele, viele Jahre später. Die Values Academy gibt es erst seit 2020. Und dann haben wir ja die neue Website gebaut und das Wertelexikon da auch integriert, was ja vorher schon auf einer anderen Website existierte. Obwohl sie grottenhässlich war, hat sie damals schon, glaube ich, über eine Million Nutzer gehabt. Und wir haben ganz viele Zuschriften bekommen, weil diejenigen, die damals die Zielgruppe waren, das waren genauso Nerds, die sich auch tiefgreifender mit dem Thema beschäftigen wollten. Und denen ging es nicht darum, dass es schön aussieht. Ich habe dazugelernt. Und der Rest ist Geschichte. Also die Values Academy ist kein Unternehmen, sondern es ist ein Unternehmensbereich von Da Vinci 3000. Wir haben mehrere noch. Wir haben auch noch einen Verlag, den ich übrigens gründen musste, weil keiner mein Buch herausgeben wollte. Also die wollten schon, aber die haben gesagt, wir können nicht, weil es passt nicht in unser Genre.
Anna
Also kurz für alle, die das Buch nicht kennen. Es geht um Werte. Es werden dort alle Werte vorgestellt und die Definition der Werte. Und fass du doch noch mal ganz kurz zusammen, was es da genau geht, damit alle, die es nicht kennen. Ich verlinke es dann in den Show Notes, wen es interessiert, und auch den Link zur Values Academy natürlich. Aber Frank, sag doch noch mal kurz, worum es im großen Buch der Werte geht.
Frank
Also der wesentliche Inhalt ist das Wertelexikon. Also das Buch ist eine Enzyklopädie. Innerhalb der Enzyklopädie gibt es ein Lexikon, also ein ganz klassisches Wörterbuch, wo die von uns identifizierten relevantesten Werte gelistet sind und jeder einzelne Begriff exakt definiert ist.
Also tatsächlich auch sprachwissenschaftlich, auch etymologisch, was die Wortherkunft betrifft, was übrigens sehr spannend ist bei dem einen oder anderen Wert. Plus wir haben das noch mit ganz vielen Zitaten versehen, weil Zitate kursieren ja auch zu einem bestimmten wertesystemischen Kontext. Plus bei einigen, wenn wir da fündig wurden, Medieninhalte oder Literatur. Ich mache ein Beispiel. Es gibt ein tolles Buch von dem Professor Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut über Intuition. Und Intuition ist ein Wert, also haben wir dieses Buch, das meiner Meinung nach erhellend sein kann für viele, die sich mit Intuition ambivalent erst mal beschäftigen. Genau, deswegen haben wir das da entsprechend verlinkt. Wir haben sogar einen eigenen YouTube-Kanal, wo wir bestimmte gute Dokumentationen über bestimmte Werte, es gibt tatsächlich lange Dokumentationen über nur einen einzigen Wert, interessanterweise. Und die haben wir dort konserviert. Kleine Anekdote, der Bayerische Rundfunk hat irgendwann zu YouTube gesagt, das muss runter hier. Und dann habe ich den Bayerischen Rundfunk angegriffen, es ging um Demokratie, was es ist. Es gab eine tolle Dokumentation in der Mediathek und die wurde dann irgendwann rausgenommen. Wir haben sie uns bei YouTube runtergezogen und haben sie im eigenen Kanal veröffentlicht und siehe da der Bayerische Rundfunk fand es toll, dass sie das, was sie für teures Geld, wirklich tolle Dokumentationen produzieren haben lassen, dass wir das konservieren.
Also, wie gesagt, das ist das Lexikon. Und dann gibt es rund um das Thema Werte ganz viele sogenannte kontextuell wichtige Begrifflichkeiten, wie zum Beispiel das Thema Kultur, wie zum Beispiel das Thema Moral oder Ethik oder mein Lieblingswort Freigeist.
Anna
Ist ja eigentlich momentan gerade brandaktuell, weil jeder hat das Wort Kultur und Moral und Ethik im Mund. Gerade in der heutigen Zeit ist das eigentlich ganz gut, wenn man weiß, über was wir eigentlich wirklich sprechen. Und es nicht einfach nur als buzzwords verwenden.
Frank
Genau, und die haben wir als Begriff, aber auch als Terminus nochmal aufgegriffen und definiert. Wertesystemisch ist ja das Wort Tugend ganz wichtig, weil Tugenden sind ja eine spezifische Gattung von Werten. Also die sogenannten, das sind ja meistens soziale Werte, die uns jahrtausendelang verordnet wurden. Genau, und wir haben, oder ich habe mir damals gedacht, weil es da unheimlich viele Missverständnisse gab, also Tugenden und Werte wurden oft verwechselt, dass ich den Begriff Tugend einfach mal definiere. Und es fängt damit an, dass wir jetzt offenbaren, dass Tugend etymologisch von Taugen stammt. Du taugst etwas. Und das ist natürlich nur eine Art von Wert. Nehmen wir das Beispiel Humor. Humor ist auch ein Wert, aber das hat mit Taugen nichts zu tun. Obwohl, da könnten wir drüber diskutieren. Aber da geht es jetzt nicht um eine Eignung innerhalb einer sozialen Gemeinschaft, sondern es ist ein sogenannter Selbstentfaltungswert. Und wenn man dann in das Thema Tugenden eintaucht, ich mache das jetzt mal als Beispiel, kommt man zu dem Begriff Kardinaltugend. Und die Kardinaltugenden wurden jahrtausendelang, das fing bei Konfuzius an, der hat eine Liste Kardinaltugenden ausgestellt, bis hin zu den Griechen, bis hin zu den Philosophen. Und Immanuel Kant natürlich, wobei der sich auf eine Kardinaltugend beschränkt hat. Er sagt, hört auf mit diesen ganzen Tugenden. Die höchste Tugend ist die Willenskraft. Und als ich das irgendwann dann ergründet habe, habe ich gesagt, Willenskraft fehlt in unserer Liste. Zack, hatten wir den 117. Wert. Das war der 117. Mittlerweile haben wir den 133.
Anna
Also die Liste der Werte wird auch stetig erweitert. Jetzt wahrscheinlich nicht mehr so schnell.
Frank
Ja, wir sind momentan da angelangt, wo es anfängt unübersichtlich zu werden. Wir haben die Bandbreite, was Werte sein können, gut erschöpft. Und was im Lexikon auch noch bei jedem einzelnen Wert mit verschriftlicht ist, sind alle Synonyme. Und wenn wir alle Synonyme und alle Werte zusammen in eine Liste packen, haben wir eine Liste von 2.096 Begriffen.
Anna
Das sollte für jeden was dabei sein.
Frank
Wir haben ein Wertespiel. Das heißt, wir haben 133 Werte und da stehen die Synonyme mit drauf. Und wenn jetzt jemand einen Begriff bevorzugt, dann findet er den mindestens als Synonym. Das heißt, wir haben quasi so eine Vollständigkeit. Wobei ich in der Wertearbeit immer sage, verwendet den Begriff, der in eurem Kontext, in eurer Branche, auch in eurer Region oder in eurem Kulturkreis einfach das am besten ausdrückt, womit ihr alle im Idealfall damit übereinstimmen könnt. Aber denkt bitte daran, in einem anderen Kulturkreis gibt es vielleicht einen anderen Begriff. Und deswegen haben wir diese Synonym-Datenbank letztendlich auch gebaut. Wichtig ist, diese Enzyklopädie gibt es fast komplett online im Internet kostenlos einzusehen.
Anna
Über die Values Academy habe ich euch damals auch gefunden und habe dann gesehen, dass du einen Workshop und eine Ausbildung zum Wertecoach anbietest. Und da habe ich gedacht, das muss ich machen.
Frank
Und dann mussten wir nach Österreich kommen.
Anna
Ja, es ist auch schön da. Aber da sind wir jetzt auch gleich schon bei meiner nächsten Frage. Was sind für dich ganz kurz und knapp die drei wichtigsten Gründe, warum sich Unternehmen mit ihren Werten auseinandersetzen sollten?
Frank
Jetzt müssen wir erst mal gucken, was sind denn ihre Werte? Meistens sagt man, guck mal, wir haben da so ein schönes Leitbild, da stehen ein paar Begriffe. Wir haben die auch mal beschrieben, was die für uns bedeuten. Das sind unsere Werte. Das ist nicht alleine die Werte, die ein Unternehmen hat. Sondern, wenn wir ganz ehrlich sind, alle Werte aller Mitarbeiter zählen ja dazu, weil sie Teil dieses Kulturkreises sind. Und dass sich das auch manchmal ein bisschen sperrt., beißen kann. Und daraus resultiert jetzt der erste Grund, warum man sich damit ein bisschen tiefer beschäftigen soll, damit man weiß, wie viele Werte sind überhaupt vorhanden. Ja, und jetzt kommt ein anderer Begriff, den wir übrigens kontextuell in der Enzyklopädie auch tiefgreifend beleuchtet haben, ist der Begriff Motiv. Weil oft werden Motive mit Werten verwechselt.
Motiv ist ja der Beweggrund. Also warum wir etwas tun. Also Begriffe, die für ein Motiv stehen, die beschreiben das Warum. Und Werte beschreiben eher das Wie. Also das sind die Attribute. Das ist der erste Grund, damit man diese Komplexität erst mal versteht. Der zweite Grund ist, das ist einer der wichtigen Eigenschaften von Werten, sie geben Orientierung. Ja, und zwar nicht nur für einzelne Personen, sondern für eine ganze Gruppe. Und eine ganze Gruppe kann sich durch Werte orientieren. Vorhin habe ich gesagt, das Motiv beschreibt das Warum, Werte beschreiben das Wie. Und aus dem Wie resultieren dann bestimmte Ziele. Und die Ziele beschreiben ja, was machen wir, bis wann. Und wenn das mit den Werten, also mit dem Wie verknüpft wird, dann beschreiben wir auch die Haltung, mit der wir an die Zielerreichung gehen. Dabei helfen die Werte immer wieder, wie so eine Art Kompass, die Orientierung nicht zu verlieren.
Das ist gerade in der heutigen Zeit wichtig, weil Menschen verlieren oder auch Unternehmen verlieren ihre Orientierung, wenn sich äußere Umstände verändern. Also jedes mittelständige Unternehmen und vor allem Familienunternehmen, die wissen ganz genau, von was ich rede. Und momentan sind die Halbwertszeiten der Stabilitätsfaktoren echt gering geworden. Mittlerweile ist sogar so eine latente Angst da, dass sich ja demnächst schon wieder was verändern kann. Und dafür braucht man eine bestimmte Resilienz. Und Resilienz bekommt man, wenn man eine gute Orientierung hat.
Der dritte Grund ist, wenn wir uns mit Werten beschäftigen, sodass wir die Mitarbeiter bitte mit einbeziehen. Also nicht sagen, hey, wir haben doch mal schöne Werte vorbereitet, die sind doch schön, oder? Und dann lesen wir bei Kununu, die da oben sollen sich mal selber dran halten. Das ist meistens dann das Ergebnis, wenn die vorgegeben werden. Also der dritte Aspekt ist, bitte Wertearbeit mit allen machen, Mitarbeiter miteinbeziehen. Wir haben auch Tools entwickelt und mittlerweile sind wir ja ganz viele Wertecoaches, so wie du auch.
Anna
Ich hätte sogar noch einen vierten Grund, ich schmeiße ihn da einfach mal rein. Und zwar, dass es für die Kunden einfach von Vorteil ist, wenn das Unternehmen klare Werte definiert hat, kommuniziert und lebt, können sich auch die Kunden leichter damit identifizieren.
Frank
Ja, das habe ich jetzt vergessen, aber das ist dann meistens mein nächster Aufschlag, dass ich sage, neben den Mitarbeitern, alle Anspruchsgruppen. Und die kann man jetzt aufzählen. Die Anspruchsgruppen sind sehr vielfältig. Und die Kunden zählen natürlich dazu, aber auch die Kunden der Kunden und die Lieferanten zählen auch dazu.
Anna
Aber zurück zur nächsten Frage. Gibt es Werte, die für jede Organisation wichtig sind, oder hängt es dann immer von den handelnden Personen ab, von den Leuten, die Menschen, die dort arbeiten? Oder gibt es Werte, wo du sagst, die sind grundsätzlich für jede Organisation wichtig?
Frank
Ja und nein. Also die Werte, die ein Unternehmen definieren soll, sind logischerweise verknüpft mit dem Versprechen an das Produkt und an die Dienstleistung. Ich mache ein Beispiel. Die Deutsche Bahn hätte den Wert Pünktlichkeit. Ja, weil das ja auch eine Erwartung ist. Also das, was mein Kunde erwartet, sollte ich im Idealfall natürlich in meinem Wertegerüst mit aufnehmen. Also es ist branchenabhängig, produktabhängig, aber auch verknüpft mit der Vision, also mit dem Ziel, das ich habe. Und das machen die meisten eigentlich ganz gut, aber die Kombination von beiden ist wichtig.
Anna
Was sind denn die häufigsten Missverständnisse, die Unternehmer und Unternehmerinnen beim Thema Werte haben, die dir so untergekommen sind bis jetzt?
Frank
Ich weiß nicht, ob Missverständnis das richtige Wort ist, aber das größte Missverständnis, das wir vorfinden zunächst ist, dass sie glauben zu wissen, was Werte sind. Und nachdem sie mir ein paar Stunden zugehört haben, stellen sie fest, oh, vielleicht hätten wir uns mal früher damit beschäftigt.
Anna
Gibt es einen spezifischen Wert, wo du sagst, bei dem, der wird immer wieder falsch interpretiert oder völlig unterschätzt und der ist aber eigentlich total wertvoll und wichtig?
Frank
Ja, also ein Klassiker ist Transparenz, aber nicht, dass der Wert an sich unterschätzt wird. Transparenz heißt ja Durchschaubarkeit. Sondern, dass er rollenspezifisch falsch benutzt wird. Wenn Führungskräfte davon reden, wir wollen mehr Transparenz implementieren, dann impliziert der Mitarbeiter, die vertrauen uns nicht. Die wollen uns kontrollieren. Ja, also es ist immer wichtig bei einem Wert, was impliziert der Begriff bei einer anderen Anspruchsgruppe oder innerhalb einer anderen Rolle.
Anna
Das heißt eigentlich auch, dass es super wichtig ist, dass man die Werte nicht nur als das Wort an sich definiert und kommuniziert, sondern, dass man auch wirklich den Wert verständlich macht und klar kommuniziert. Was bedeutet das konkret für uns? Was heißt das jetzt wirklich?
Frank
Das ist die elementarste Aufgabe von Wertearbeit. Die Werte, die wir vorher definiert haben, die meistens ja von einem abgenickt werden, weil die sind ja immer irgendwas Gutes, die sind ja immer konstruktiver Natur, zu sagen, was heißt das jetzt für uns? Was bedeutet das für uns im Alltag, in der Umsetzung?
Anna
Das ist wahrscheinlich auch gleich die Überleitung zu meiner nächsten Frage beziehungsweise schon die Antwort, was die größte Herausforderung ist, die Werte zu implementieren.
Frank
Damit fängt es an. Also, dass Werte nicht an der Oberfläche verhungern, sondern, dass wir sagen, okay, was muss in unserem Tun, in unserer Haltung, in unserem Miteinander, aber auch in der Art und Weise. Und Werte beschreiben ja, wie wir etwas tun. Nicht, was wir tun, sondern wie wir es tun. Diese Fragen werden viel zu selten gestellt. Und dann gibt es ja noch das Thema Hol- und Bringschuld. Alle warten darauf, dass die anderen das machen. Und die Frage ist natürlich dann an jeden Einzelnen, okay, wenn du dich committest, wenn du sagst, jawohl, Vertrauen ist wichtig, Respekt ist wichtig, okay, was heißt das für dich im Alltag? Und das müssen wir definieren.
Anna
Es ist total spannend, weil ich glaube, jeder kennt den Begriff Hol- und Bringschuld oder die Begriffe, aber keiner denkt darüber nach, dass man sie wirklich eigentlich immer hat. Und vor allen Dingen auch im Zusammenhang mit Werten. Da ist eigentlich oft – die da oben oder die da unten – müssen.
Frank
Ich will gleich mal noch was korrigieren. Das Wort Werte ist ja eigentlich falsch. Das heißt ja eigentlich Wertvorstellung.
Anna
Ja, korrekt.
Frank
Werte kannst du bei Blutwerten auch benutzen oder Temperaturwerte. Also in der Physik, jeder Ingenieur weiß, er hat mit tausenden Werten zu tun. Und wenn man das näher beleuchtet, weiß man dann auch, was ein Wert eigentlich ist, nämlich das Ergebnis einer Messung, das so ganz nebenbei. Ja, aber die Wertvorstellung, das ist ja was anderes.
Anna
Ja. Gab es eigentlich mal ein Projekt, das du zwischendrin abgebrochen hast, wo du gesagt hast, das funktioniert so nicht, da kann ich jetzt und will ich nicht weiterarbeiten?
Frank
Also bei den meisten Projekten wurde ich abgebrochen. Ja, also ich war mal bei einer ganzen Vorstandsrunde und ich war da ganz alleine. Alles Männer natürlich. Ich war aus dem Finanzwesen. Und da sagt dann der Vorstandsvorsitzende, Herr Sauer, das war alles ganz toll, wir sollten aber mal ein halbes Jahr Pause machen. Dann bin ich nach Hause gefahren und habe gesagt, von dem höre ich nichts mehr. Wertearbeit ist unbequem. Es geht ans Eingemachte.
Anna
Es gibt einen riesigen Benefit davon, aber der ist nicht sofort und gleich und es ist erst mal Arbeit. Und gefühlt ist es erst mal nur Arbeit.
Frank
Deswegen nennen wir es Arbeit. Ich mag das Wort Arbeit nicht. Ich habe mal ein Buch geschrieben, das heißt Spielen zum Ziel. Hört auf zu arbeiten, fangt an zu spielen. So ein bisschen Gamification. Da haben wir auch eine andere Haltung. Und wir haben lange überlegt, ob wir das Wertearbeit nennen. Aber alle, die ich gefragt habe, auch aus unserem Team, haben gesagt, es ist Arbeit, lass es uns Wertearbeit nennen. Und man soll es auch als Arbeit verstehen. Und nicht, Herr Sauer, können Sie mal einen Workshop machen? Und danach haben die gesagt, ja und jetzt? Jetzt fängt die Arbeit eigentlich erst an. Und die meisten Unternehmen sind nicht bereit, das zu machen.
Und um deine Frage noch zu beantworten, ich habe ein oder zwei Projekte abgebrochen, aber jetzt nicht im Bösen, sondern einfach nur gesagt, das macht keinen Sinn. Also ein Beispiel, ein mittelständisches Unternehmen, da war ein neuer Vorstandsvorsitzender da, der sich selber gefeiert hat, dass der alte Patriarch weg ist. Jetzt bin ich der Junge. Er hat sich aber exakt genauso verhalten. Man hat es nicht gemerkt.
Anna
Das ist jetzt eigentlich auch ein wichtiger Punkt, den du gerade gesagt hast, für Wertearbeit ist Selbstreflexion auch eine ganz, ganz wichtige Eigenschaft, die man haben sollte.
Frank
Das hätte man uns in der Schule beibringen sollen.
Anna
Gab es irgendeinen Moment bei dir in der Wertearbeit oder in dieser ganzen Zeit, wo du gemerkt hast, hoppla, jetzt muss ich doch das Ganze, was ich jetzt immer lehre und über das ich rede, nochmal auf mich selber anwenden und nochmal einen Schritt zurück gehen und bei mir nochmal schauen?
Frank
Ständig. Ständig.
Anna
Also für alle, die sich jetzt die ganze Zeit denken, oh Gott, jetzt muss ich schon wieder anfangen, selbst der Wertepapst muss es.
Frank
Manchmal erschrecke ich mich dann auch selbst. Manchmal brauche ich ein bisschen Nachhilfe. Deswegen haben wir das Wort Feedback in der Enzyklopädie auch definiert. Und wenn ich einen Workshop mache und sage, gib mal Feedback und dann finden die das alle toll. Ich sage, ja, ich finde das toll, dass ihr das toll findet, aber adäquat. Und eine Woche später kriege ich dann, das ist letztens passiert, eine Mail, so eine lange Mail von jemandem, naja, eigentlich hat der sich was ganz anderes darunter vorgestellt. Dann habe ich gesagt, warum sagst du das nicht gleich? Also ein ehrliches Feedback. Gut, man muss da ein bisschen rhetorisch, vielleicht auch empathisch vorgehen. Eine Kombi wäre ganz gut. Aber das fehlt uns generell in unserer Gesellschaft, ein ehrliches, unmittelbares Feedback, idealerweise just in time, oder mal eine Nacht drüber schlafen. Also nicht nur Selbstkritik, sondern auch, dass wir uns gegenseitig unterstützen, immer besser zu werden. Das wäre mal ein komplett neuer kultureller Ansatz.
Anna
Aber ich muss jetzt zur Verteidigung deiner Workshop-Teilnehmer sagen, als ich bei meinem ersten Werte-Workshop bei dir war, hat mein Hirn, glaube ich, ungefähr drei Tage gebraucht, um das zu verarbeiten, weil es unglaublich viel Input war.
Frank
Ja, ich weiß. Aber ich bin ja auch Erfinder der „Intuistik“. Um deine allererste Frage vielleicht da nochmal, genau. Und die Intuistik ist die Lehre der Intuition. Und da lehre ich, das ist ja nur ein kleiner Teil in der Werte-Coach-Ausbildung, aber deswegen heißt es ja auch Intuistik-Werte-Coach. Und wir wollen die Dinge nicht nur kognitiv wahrnehmen, und das ist auch das, was wir lernen sollen. Und manche Menschen, so wie du, neigen dazu, halt alles kognitiv erfassen zu wollen. Und ich provoziere absichtlich in der Geschwindigkeit, die ich da raushaue, dass die Leute fast umfallen. Manche sagen, ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr. Die müssen dann rausgehen zum Spazieren teilweise. Und da sage ich, entspannt euch, habt Vertrauen zu euch selber, weil alles, was ihr hier gehört habt, hat euer Unterbewusstsein ja aufgenommen. Und irgendwann so sortiert ist in eurem Unterbewusstsein, dass es abrufbar ist, wird es zum richtigen Zeitpunkt abgerufen. Und das ist das, was wir auch in der Schule nicht gelernt haben. Wir wollen uns alles behalten. Unser Unterbewusstsein behält sich das ja. Wir wollen immer alles präsent haben. Das geht halt nicht. Das jetzt nur so nebenbei als kleiner Exkurs.
Es gibt einige, die dann nach der Ausbildung, ich denke da an einen ganz speziellen, ich nenne jetzt keinen Namen, sich bei mir bedankt hat, dass ich diesen Knoten, den er sein ganzes Leben hatte, immer alles verstehen zu wollen, weil ich habe ihm erklärt, verstehen heißt, wenn man es genau analysiert, im Wege stehen. Ja. Weil es ja erst mal gut ist, weil wir wollen ja innehalten. Wir wollen es ja jetzt hier erfassen. Wir wollen doch die Dinge auch fließen lassen, sie einfach mal fließen lassen. Und nicht immer alles verstehen.
Anna
Ich arbeite noch dran, die Dinge nicht immer, obwohl es gibt Dinge, die will ich nicht unbedingt verstehen, aber es gibt viele, die Dinge, die will ich dann einfach verstehen.
Frank
Das ist ja natürlich noch ein Filter, aber wenn du bezahlst für eine Ausbildung, dann willst du ja alles mitnehmen. Ja, und ich sage, hallo, du nimmst es doch mit. Dein Unterbewusstsein nimmt es halt mit. Und je mehr du kognitiv drüber nachdenkst, umso mehr filterst du auch, was in deinem Unterbewusstsein tatsächlich gespeichert wird.
Anna
Ich komme wieder zurück zu meinen Fragen mit den Werten in Unternehmen und so. Hast du ein Beispiel, wo Wertearbeit in einem Unternehmen eine besonders transformative Auswirkung hatte? Also wo du gesagt hast, vorher und nachher war wirklich ein eklatanter Unterschied.
Frank
Das ist natürlich eine Wahrnehmungs- und Einschätzungssache. Total unterschiedlich. Aber es gibt das eine, dass je kleiner die Unternehmen sind, umso höher die Auswirkungen. Natürlich, weil wir auch fast alle Leute da erreichen. Je größer das Unternehmen ist, umso weniger erreichen wir und umso mehr Subkulturen haben wir auch. Und wir haben Gegner. Wir haben die Traditionalisten immer als Gegner.
Anna
Ja, es könnte sich ja etwas verändern.
Frank
Auch wenn ich ihnen sage, ich kann sie gut leiden. Weil Tradition ist etwas Wertvolles, ist ja ein Wert. Aber Wertearbeit verändert ja etwas und jede Veränderung riecht nach Innovation. Nach Disruption, aber auch nach Innovation. Und Innovation ist ein sogenannter antonymer Wert, wie wir gelernt haben, von Tradition.
Anna
Aber kann Wertearbeit nicht eigentlich auch Beständigkeit schaffen. Beständigkeit ist ja was, was eigentlich für Traditionalisten wieder sehr zuvorkommend ist.
Frank
Wenn mir jemand zuhört und mir die Chance gibt und nicht so ist, dann wird er diese Erkenntnis haben. Ich war bei einer politischen Partei und durfte dort in einem regionalen Bereich einen Vortrag halten. Die Hälfte hat mich gehasst und die andere Hälfte hat mich geliebt. Das war eine eher konservative Partei. Und dann hinterher nach der Veranstaltung saßen wir an eine Bar und dann kamen die: Boah, das ist ja mega. Nachhaltigkeit heißt konservativ. Ja, konservieren, für die Nachwelt aufbewahren. Das heißt, die Haltung eines Konservativen ist eigentlich nachhaltig. Das war für die ein Game Changer. Die haben gesagt, das ist ja unglaublich. Ich sage, seht ihr, ihr habt hier links, rechts, ihr diskutiert. Wir haben ja jetzt auch politische Diskussionen, wo die ständig in die Polarisierung gehen. Und ich sage, das ist Quatsch. Wertesystemisch gibt es keine Polarisierung. Es gibt antonyme Begriffe, die sich aber gegenseitig ergänzen, oder die falsch definiert sind. Ja, das war ja eine Frage von dir vorhin, also der Begriff konservativ wird mit traditionell verwechselt. Das ist was komplett anderes.
Anna
Da sieht man, wie wichtig es ist, dass man wirklich definiert und klar macht, von was man eigentlich genau redet, und wie wichtig da eine klare Sprache ist, und dass wirklich alle vom Gleichen reden. Und ich glaube, das ist auch ein Problem, warum viele Mitarbeiter so gegen Werte sind im ersten Moment, weil dieses Wertethema schon so oft gespielt wird in Unternehmen, aber nie nachhaltig ist und nie wirklich bis zum Ende alle mitnimmt.
Frank
Und es schwingt mit, wenn du dich mit Werten beschäftigst, dass du vielleicht auch Angst hast, be-wertet zu werden. Was in dem Sinne, wenn wir mit unseren Werten arbeiten, ja immer konstruktiv bewerten, also nicht destruktiv, also das Gegenteil von herabwürdigen, sondern eher würdigen. Und Würde ist ja ein Geschwisterwort, etymologisch von dem Wort Wert interessanterweise, da gehen wir jetzt aber auch nicht direkt drauf ein. Und das ist das, was viele als Wertschätzung dann beschreiben und sagen, Wertschätzung ist wichtig. Aber wenn du nur mit dem Wort Werte kommst, dann wird ja be-wertet, also unterschwellig hat man Angst davor, dass wir uns jetzt gegenseitig bewerten müssen. Deswegen haben wir ja das Wertespiel entwickelt, wo die Leute sich ja gegenseitig beurteilen und zuweisen oder auch wegnehmen.
Anna
Das finde ich eigentlich auch nochmal einen ganz spannenden Aspekt, dass wir viele Werte haben, die uns selber überhaupt nicht bewusst sind, weil sie für uns teilweise so selbstverständlich sind, dass wir sie einfach leben, aber gar nie wirklich bewusst wahrgenommen haben und das Wert kommunizieren würden.
Frank
Genau. Generell verwenden wir Worte oberflächlich, nicht nur Werte. Wobei gerade Werte dürfen niemals oberflächlich verwendet werden.
Anna
Da muss man sich dann wirklich Zeit nehmen.
Frank
Es ist Arbeit, ich weiß. Es ist Arbeit. Viele sagen, boah, muss ich dein ganzes dickes Buch da lesen. Nee, du kannst es in den Schrank stellen. Sieht übrigens cool aus. Ist schön dick. Oder du kannst es als Nachschlagewerk benutzen. Wenn du aber Meister werden willst, lies es durch. Mach’s, mach’s.
Anna
Jetzt habe ich noch eine Frage, also ich habe noch mehrere Fragen, aber die nächste Frage. Gibt es irgendeine Geschichte über die Wertearbeit oder wo jemand irgendeine Erkenntnis hatte oder irgendwas, wo er gemeint hat, wow, für mich hat sich gerade eine völlig neue Welt eröffnet durch die Erkenntnisse der Wertearbeit?
Frank
Also da gibt es viele. Meistens sind es Einzelpersonen. Auch innerhalb von Firmen sind es dann Einzelpersonen, wenn die so ein Seminar oder ein Workshop besuchen oder was lesen, dann haben wir ja eine selektive Wahrnehmung. Jeder nimmt ja was anderes mit. Und da wir aber auch Informationen geben, die es bisher nicht gab, nirgendwo. Wir haben das während der Wertearbeit einfach entdeckt. Gibt es klassische Beispiele, gerade für viele Coaches oder für viele, die in der psychologischen oder pädagogischen Arbeit unterwegs sind, für die es eine komplett neue Sichtweise auf die Dinge aufmacht? Oder auch Führungskräfte. Wenn ich sage, ein Mensch hat Charakterwerte und Persönlichkeitswerte. Und wenn ich das sage, dann ist das erstmal uninteressant. Wenn ich dann frage, okay, weißt du, was Charakter und was Persönlichkeit, was der Unterschied ist, das konnte mir noch keiner erklären. Deswegen bin ich froh, dass wir das jetzt mal erklärt haben und auch veröffentlicht haben.
Anna
Das kann man auch im Buch nachlesen oder auf der Webseite. Ja, genau.
Frank
Also kleiner Tipp, der Charakter ist das, mit dem du auf die Welt kommst, und das verändert sich niemals. Das ist dein Archetyp, wie C. G. Jung das mal genannt hat. Und die Persönlichkeit ist das, was aus dir gemacht wird. Das ist die Konditionierung. Ja, oder das tugendhafte Verhalten, damit du in der sozialen Gesellschaft akzeptiert wirst. Da lernen wir anständiges Verhalten. Diese Werte, die wir in unserer Persönlichkeit leben, stimmen oft nicht mit dem Charakterwert überein. Dann wundern wir uns, dass wir irgendwann unzufrieden, unglücklich werden oder sogar einen Burnout kriegen. Einer der Gründe für Burnout ist, wenn du ständig falsche Werte lebst, ja, die gegen deine eigenen Werte sind. Und das nennen wir die Verletzung der persönlichen Integrität.
Anna
Das ist ja auch gerade für Nachfolger im Familienunternehmen oft eine Herausforderung. Ich kenne es selber von mir, dass man einfach Familienunternehmen prägend enorm und dann steigt man ins Unternehmen ein und hatte gar nicht die Zeit für die Abnabelung und herauszufinden, wer bin ich jetzt eigentlich, was sind meine Werte und die eigenen Charakterwerte zu definieren. Und man sieht so viele Unternehmensnachfolger, da kann man schon fast sagen, dass ich das Glück hatte, dass es bei mir relativ schnell wieder vorbei war im Familienunternehmen, die dann im Alter von 40, 50, 60 Jahren meistens auch schon ein bisschen früher einfach komplett aufgeben, weil sie nicht mehr können, weil sie versuchen, Werte zu leben, die eigentlich gar nicht ihre sind, ohne das zu realisieren.
Frank
Ja, genau. Also wir haben die Priorisierung da nicht, die ist nicht ausgewogen. Also es ist nicht falsch, Werte zu leben, die mir jetzt gerade nicht schmecken. Als sozialer Mensch muss ich das ab und zu tun, aber es muss ein ausgewogenes Verhältnis sein. Und gerade was meinen Beruf angeht, welchen Partner will ich mal heiraten oder wie will ich meine Kinder erziehen oder wohin fahre ich in den Urlaub. Also so ganz banale Dinge haben ja was mit meinem Charakter zu tun. Also wenn ich jetzt eher so ein abenteuerlicher Typ bin, dann macht es keinen Sinn, mich an den Strand zu legen. Nur um mal ein profanes Beispiel zu nennen. Das ist eben das, wo viele sagen, dieser Hack hat meine ganze Sichtweise auf den Mensch an sich komplett verändert. Und ich habe jetzt gelernt, behutsamer auch mit mir selber umzugehen, immer wieder zu kucken, ist das jetzt mein Archetyp oder ist das meine Persönlichkeit? Finde ich etwas gut oder wichtig, nur weil es als richtig anerkannt wird? Oder finde ich es gut, weil ich es will? Das ist immer bei Kant, das ist nämlich die Willenskraft, die er gemeint hat. Und dann, wenn das rund ist, dann nennen wir das Authentizität. Das ist ja auch eine jüngere Generation und da bin ich total froh, die wollen authentisch sein. Und jetzt haben sie das Geheimnis, wie es geht. Ich habe hiermit das Geheimnis gelüftet.
Anna
Und ich mache noch einen kleinen Disclaimer. Wer das jetzt versucht und verzweifelt, es ist nicht so einfach. Es braucht Übung und Selbstreflexion. Nur weil das jetzt von sofort auf gleich nicht klappt, nicht aufgeben.
Frank
Wir haben das entwickelt. Wir haben zum Beispiel das Koheba-Wertemodell. Ko-he-ba, Kopf, Herz, Bauch. Das ist die Verortung, wo wir sagen, wir haben Kopfwerte, also kognitiv, rationell, wir haben emotionale Werte und wir haben Intuitionswerte. Und allein das ist jetzt schon wieder der nächste Hack, wo wir sagen, ach du Scheiße, jetzt wird es kompliziert. Das heißt, nein, es ist komplex, aber nicht kompliziert. Wenn du sagst, das ist mir wichtig, frag dich, ist es jetzt mein Kopf, ist es meine Emotion oder meine Intuition? Wenn du es nicht erklären kannst, ist es in der Regel deine Intuition. Wenn du das perfekt erklären kannst, ist es in der Regel das Ratio. Und die Werte, die die meisten Menschen glauben, dass ihnen wichtig sind, sind oft Kopfwerte. Und dann wundern sie sich, dass sie zwar erfolgreich werden, aber sich irgendwie nicht wohlfühlen dabei.
Anna
Jetzt habe ich mal ein bisschen eine andere Frage.Stell dir vor, Werte könnten sprechen. Welcher Wert würde in einem vollen Raum am lautesten schreien, um endlich Gehör zu finden?
Frank
Was meinst du mit schreien? Rein akustisch?
Anna
Ja, wer würde am lautesten versuchen, auf sich aufmerksam zu machen, um endlich Gehör zu finden?
Frank
Da fangen jetzt mehrere eigentlich ein. Begeisterung, das liegt zufällig jetzt hier.
Anna
Für alle, die nur zuhören, Frank hat gerade eine Karte mit Begeisterung hervorgeholt.
Frank
Das kommt auf die Ausprägung an. Meistens ist es ja so, dass nicht ein einzelner Wert sowas macht, sondern mehrere Werte ergeben diese Ergebnisse. Also Begeisterung, Abenteuer, Freude, Spaß. Dann vielleicht noch Individualität. Es ist komplex, aber eine geile Frage.
Anna
Du kannst ja noch ein bisschen drüber nachdenken. Wir hören uns ja noch öfters generell zu, also wir zwei.
Frank
Das ist eine gute Frage. Darf ich mir die merken?
Anna
Ja, ich schicke sie dir dann, wenn du magst.
Frank
Ich habe mir die jetzt gemerkt. Sehr gut.
Anna
Kommen wir nochmal zurück zur Arbeitswelt. Wie siehst du denn die Rolle von Werten in der sich ständig verändernden Arbeitswelt? Wie wir schon vorher hatten, es gefühlt ist nichts konstant und ständig alles im Wandel.
Frank
Veränderung heißt immer Verlust von Stabilitätsfaktoren. Das, was beständig ist, ist ja weg. Ja, die Dinge verändern sich. Und in der Veränderung brauchen wir Orientierung, weil wir bewegen uns ja. Und zwar nicht immer intrinsisch motiviert, sondern oft auch extrinsisch motiviert. Und da hilft Wertorientierung. Manche nennen das Anker. Die ankern mich, fokussieren mich. Und damit kann ich abgleichen, wohin gehe ich denn, wenn sich die ganze Welt auf einmal neu sortiert. Daraus resultiert übrigens die Chance, in der Veränderung sich zu verbessern.
Anna
Das war jetzt ein guter Selling Point für Wertearbeit. Glaubst du, dass Wertearbeit in Zukunft ein Standard in Unternehmen sein muss und hoffentlich sein wird? Oder glaubst du, dass …
Frank
Das wird irgendwann der Fall sein. Ich werde es nicht mehr erleben, aber das wird irgendwann der Fall sein. Es wird ins Bildungssystem implementiert werden. Ja, wir sind ja auch dran. Mit Schulen arbeiten wir jetzt. Wir haben mit Kindern gearbeitet, also mit Jugendlichen vor allem, auch wenn es um Berufsorientierung geht. Und haben jetzt mit Lehrern gearbeitet. Weil es übrigens von oben verordnet war. Irgendwo in Hessen wurde das vom Schulamt verordnet, dass die jetzt Werte machen. Und da haben die Lehrer jetzt Werte gemacht. Die Hälfte fand es cool, die andere Hälfte fand es grottenschlecht. Und das Feedback aus einer Runde war, dass die mega begeistert waren, weil sie erkannt haben, wie wichtig das ist. Und auf einmal waren diese zwei Fraktionen, die … Also das ist, haben wir, habe ich jetzt berichtet bekommen, oft in Schulen so, oder auch in Kommunen oder in ähnlichen Strukturen, dass die Hälfte eher keine Veränderung will und ja, nicht zu viel machen. Und die andere Hälfte merkt, dass was geändert wird. Und die, das sind ja zwei oppositionelle Haltungen. Und die können wir in einem vierstündigen Workshop, ja, dass die sich nicht in den Armen gelegen haben und gesagt haben, boah, wie toll. Also die sind wirklich aufeinander zugegangen.,
Anna
Und da sieht man auch, dass Werte Arbeit auch verbindet. Und das ist ja nicht nur in Schulen und Kommunen. Wir haben das ja im Endeffekt in größeren Unternehmen oft auch schon so, also dass man immer …
Frank
Und jeder Unternehmer, also ich rede, ich sage jetzt nicht Geschäftsführer, sondern jeder Unternehmer, der lange Unternehmer ist, weiß genau, was ich jetzt sage. Change Management muss in der Schule anfangen, im Bildungssystem und nicht in Unternehmen, weil da ist es zu spät.
Anna
Welche Entwicklung hast du denn in den letzten Jahren bei den Unternehmen gesehen, was Werte Arbeit angeht?
Frank
Also generell, als ich anfing mit Werte Arbeit, da hat es kein Mensch interessiert. Also ich habe das ja nur nebenher, neben meinem Thema Unternehmenskultur gemacht. Das wollten die. Ich habe dann nur irgendwann mal in einem Workshop in Hamburg, das werde ich nie vergessen, aufs Flipchart geschrieben. In der Pause habe ich es aufs Flipchart geschrieben. Ich wollte die überraschen, wenn sie zurückkommen zum Thema Unternehmenskultur. Werte sind das Fundament eurer Kultur. Das habe ich intuitiv dahin geschrieben, weil ich dachte, das wäre irgendwie cool. Und dann sind die hinterher zu mir gekommen und haben gesagt, boah, das ist cool. Kannst du uns dabei helfen? Um nochmal zu erzählen, wie das alles begann. Und dann habe ich gesagt, nee, keine Ahnung, sucht euch jemanden, der sich damit auskennt. Und ich habe dann selber mal geguckt, aber nichts gefunden. So habe ich dann gesagt, okay, dann mache ich es halt selber. Das war jetzt die totale Kurzphase.
Anna
Das ist eigentlich sehr spannend, weil das ist ja was, was oft passiert. Also das ist ähnlich, wie es bei mir passiert ist mit dem Angebot, das ich jetzt habe, dass man irgendwie mal sagt irgendwas und stellt dann fest, es gibt gar niemanden wirklich, der das macht. Also muss man es selber machen. Das ist ja auch ein klassisches Beispiel für Unternehmertum. J
Frank
Das heißt nun lange nicht, dass es jemand braucht. Ich bin da gar nicht von selber drauf gekommen, sondern die Leute haben nachgefragt. Die haben gesagt, naja, wenn du in deiner Präsentation schreibst, Kultur ist die Summe aller Geschichten, die man sich über eine Lebensgemeinschaft erzählt. Und du sagst, Werte sind das Fundament eurer Kultur. Ja, wie fundamentiere ich das denn? Wie mache ich das denn? Das wurde ich so oft gefragt. Ich habe es ja immer noch nebenher gemacht. Und jetzt nochmal zu deiner Frage. Damals hat sich für das Thema Werte eigentlich niemand interessiert, aber dadurch, dass ich diese steile These aufgestellt habe, haben die sich, 1998 war das zum ersten Mal, haben die gesagt, ja, und irgendwo habe ich das in ein Buch auch mal reingeschrieben. Genau, aber nur so, nur ein Satz. So wichtig, fertig.
Anna
Da hast du dich dann eh relativ lang gewehrt, wenn das sieben bis acht Jahre gedauert hat.
Frank
Ich habe es nicht geschnallt. Ich habe mich nicht gewehrt, ich habe es einfach nicht kapiert. Oder vielleicht war das auch Überheblichkeit. Das ist doch einfach. Also eigentlich habe ich damals so gedacht, wie heute noch viele denken, ist doch einfach, machen wir mal ein bisschen. Und um aber jetzt deine Frage zu beantworten, es hat damals niemand interessiert, dann hat es irgendwann ganz viele interessiert. Ja, und jetzt gibt es ja New Work, dann gab es Agiles Arbeiten und da kommt das Thema Werte hoch, gibt ja das Manifest und so weiter. Also sie sind auf einmal aufgetaucht und irgendwann standen die in Leitbildern und auf Internetseiten, unsere Werte. Das hat sich so entwickelt. Aber es hat niemand richtig gemacht. Also ich habe niemanden gesehen, der es richtig gemacht hat. Und mittlerweile wollen es viele machen, weil sie denken, sie müssen es machen. Ja, und ich frage ja immer dann, warum wollt ihr das machen? Also wenn so ein mittelständisches Unternehmen anruft, ja, wir haben ihr Buch gelesen oder wir haben im Internet mal geguckt und das finden wir toll, können Sie uns dabei helfen? Und dann ist meine erste Frage, warum wollt ihr Wertearbeit implementieren? Und dann drucksen die rum. Und dann sage ich, Achtung, ich mache jetzt mal eine These. Es gibt drei Szenarien. Das erste Szenario ist, ihr kriegt keine Leute. Ja, da ist was dran. Ja, ihr habt Generationskonflikte. Oh ja, da sprechen sie was an. Oder ihr habt gerade eine Nachfolgeregelung zum Beispiel. Ja, also in Kombination damit. Oder ich habe mir vor unserem Telefonat übrigens mal euer Kununu angeguckt, was eure Mitarbeiter oder die Leute, die sich bei euch bewerben, da so reinschreiben. Ja, aber sie wissen doch, Herr Sauer, dass das, was die da, das sind doch nur spezielle Leute. Ja, und die Meckerer schreiben das halt. Und dann sage ich, sie haben komplett recht. Aber das ist Teil eurer Kultur. Weil Kultur sind ja die Geschichten, die über euch intern und extern erzählt werden. Ja. Sonst nix. Ja, das ist die Definition von Kultur. Obwohl Kultur heißt ja Pflegen ursprünglich vom Ackerbau. Und interessanterweise ist das Wort Kultur mit dem Wort Pflicht verwandt, weil das kommt etymologisch auch aus Pflegen. Ja, so, und jetzt wird vielleicht ein Schutt. Es ist eure Pflicht, eure Kultur zu pflegen. Klar, macht Sinn. Und es geht nur, indem ihr Wertearbeit macht. Ansonsten wird Wertearbeit mit euch gemacht. Und das ist das, was gerade passiert.
Anna
Und ich finde auch das sehr wichtig, was du vorhin gesagt hast, zwar nur indirekt, aber viele unterschätzen das Thema Werte, bis sie anfangen, sich damit auseinanderzusetzen, weil dieses Thema ist so reichhaltig, so tief, und es ist nicht nur viel Arbeit, sondern es birgt auch so viele Schätze und so viele Möglichkeiten und so viele Chancen. Und wenn man Werte gut ausgearbeitet und definiert hat, macht es das Leben auch so viel leichter, auch als Unternehmer oder Unternehmerin, auf so vielen Ebenen. Und es prägt so zum Erfolg bei.
Frank
Ja, also die Unternehmen, die das machen wollen, denen stelle ich dann die Frage, wollt ihr die Büchse der Pandora öffnen? Weil wenn ihr Wertearbeit anfangt, den Deckel kriegt ihr nicht mehr zu.Und wenn ihr es halbherzig macht, fliegt es euch um die Ohren, deswegen meine Empfehlung, dann macht es lieber nicht, lasst es lieber. Oder macht es richtig und dann bitte nicht als, mach mal ein Workshop, sondern es ist ein ewiger Prozess. Es ist ein fortwährender ewiger Prozess, der am Anfang zusätzliche Arbeit macht und irgendwann in der Regelarbeit verschwindet. Ich hoffe, das habe ich jetzt so ein bisschen verständlich gemacht. Es ist auf einmal normal, es ist eine Selbstverständlichkeit.
Anna
Umso mehr man sich damit auseinandersetzt und es ist ja, wie wenn man was Neues lernt, einen neuen Skill lernt, ist es am Anfang anstrengend und braucht viel Ressourcen und in dem Moment, wo man besser wird, wo das einfach viel mehr präsent ist, geht es viel leichter von der Hand.
Frank
Ich vergleiche das mit der Einführung einer neuen Warenwirtschaft. Ja, das habe ich übrigens früher gemacht. Bevor ich Coach war, also so 1989 hatte ich eine Computerfirma und habe neben dem Bauen von Computern irgendwann auch Software implementiert und dann kamen die Unternehmen, dann haben die damals umgestellt von Papierbuchhaltung auf elektronische Buchhaltung. Dann habe ich Warenwirtschaftssysteme verkauft. Da hat die Installation noch eine ganze Woche gedauert. Heute ist es ja in 10 Sekunden erledigt oder alles in der Cloud. Dann haben die Leute so eine Angst davor gehabt. Sie wussten, sie müssen es. Ja, und ich habe damals, ich war ja eigentlich Techniker. Ich war ja kein Coach. Ich war ja auch kein Berater. Ich war ja nur Techniker. Und dann habe ich gemerkt, ich muss die Leute schulen. Und dann haben wir die geschult und das war faszinierend. Die Leute hatten vorher Angst. Die haben das verteufelt. Die wollten teilweise kündigen. Ja, so moderner Scheiß. Das hat früher doch auch so funktioniert. Nach einem halben Jahr waren die begeistert und haben gesagt, boah, wie haben wir bloß früher arbeiten können. Aber nur, weil sie geschult wurden und nicht, weil man ihnen das erklärt und verkauft hat, was die Vorteile sind. Man muss Menschen ausbilden und befähigen und dann wächst auch der Spaß daran. Ja, weil man dann es benutzt. Ja, weil man im Tun es benutzt.
Anna
Und das ist auch ein ganz wichtiger Punkt bei der Wertearbeit im Unternehmen. Wenn man die einfach nur definiert und irgendwo hinschreibt und auf Plakate schreibt und sie wirklich nicht lebt und nicht erklärt und nicht nahbar macht, dann bringen die ganzen Werte nichts. Also ich habe das selber erlebt in einem Wertewerkshop, den ich mit den Mitarbeitern bei meinem Kunden gegeben habe. Am Anfang waren sie alle so, ja, okay. Und danach war es, oh, okay, das bedeutet das, das heißt das! Dann wird das irgendwie greifbar, erlebbar, umsetzbar. Und diese Angst und Ehrfurcht und Unsicherheit vor diesen Werten verschwindet in dem Moment, wo es greifbar wird und verständlich.
Frank
Und eben, wenn ich eins zu eins Wertecoaching mache, ja, also manche kommen zu mir und sagen, ich würde gerne meine persönlichen Werte kennenlernen. Und dann ermitteln wir ja die Kopf-, Herz-, Bauchwerte und die Charakterwerte und die Persönlichkeitswerte. Dann haben wir so ein kleines Setting. Und dann sind die teilweise auch überfordert und sagen, die haben zwar eine Erkenntnis und fühlen sich ja irgendwie wohl, sagen, genau, das hat meine Mama auch schon gesagt. Ja, stimmt, das passt ja viel besser. Oder Männer sagen oft, oh, meine Frau sagt das. Dann sage ich, hören Sie doch mal auf Ihre Frau, brauchen Sie keinen teuren Coach. Das nur so nebenbei. Dann sage ich, okay, mit welchem Wert hast du Lust, dich mal intensiver zu beschäftigen? Ja, das wäre doch dieser Wert aus meiner Intuition. Den habe ich ja immer vernachlässigt. Dann sage ich, okay, Achtung, Hausaufgabe bis zum nächsten Termin. Du schreibst eine Rede, die du vor einem möglichst großen Gremium deiner Wahl hältst. Ja, vielleicht in den Vereinten Nationen oder am Bundestag oder wie, ist mir egal. Und wie lang die Rede ist, ist mir total egal. Entscheidend ist, dass sie inspirierend sein muss. Das ist eine Arbeit, ja, das beschäftigt die 1, 2, 3 Wochen. Meistens schreiben die dann eine Rede und befreien sich dann von der Angst. Warum? Weil, jetzt machen die folgendes: Die gucken, was das heißt. Und zwar nicht nur im Wertelexikon, sondern bei Wikipedia. Die gucken sich alles darüber an, über diesen einen Wert. Und dann werden die Experten zu ihrem eigenen intrinsisch motivierten Thema. Ist das nicht spannend?
Anna
Ja, total. Da sieht man auch, wie wichtig es ist, sich wirklich mit den Sachen auseinanderzusetzen und wie das die Angst nehmen kann. Ich habe natürlich noch Fragen. Welche, ich beziehe es mal auf die Values Academy, kann auch Da Vinci 3000 sein, also welche deiner Werte beeinflussen denn am meisten deine Arbeit und deine Unternehmen?
Frank
Also mein Lieblingswert im unternehmerischen Sinne, auch weil ich vom Archetyp her so gestreckt bin, natürlich, ist es ein Wert, den ich übrigens gerne in Unternehmen ärztlich verordne, weil die den selten auf dem Schirm haben, ist Interesse. In Verbindung möglicherweise sogar mit Neugier.
Anna
Das kann ich mir vorstellen, dass viele nicht am Schirm haben, dass Interesse ein Wert ist.
Frank
Deswegen haben sie ihn ja nicht auf dem Schirm. So wie Neutralität. Einer der am wenigsten genannten Werte in Umfragen. Wir machen nur bei unseren Umfragen. Obwohl Neutralität und Interesse Schlüsselwerte sind für alle anderen Werte, die daraus, wenn dieser Wert da ist, überhaupt erst gelebt werden kann. Wie kann zum Beispiel Offenheit gelebt werden, wenn kein Interesse da ist? Wie kann Empathie gelebt werden, wenn kein Interesse da ist?
Anna
Wie wirkt sich denn das Interesse ganz konkret auf deine Unternehmen aus? Kannst du das mal so an ein paar konkreten Punkten festmachen, damit die Hörer, für die das ein bisschen greifbar ist, was denn das heißt?
Frank
Interesse in Kombination mit Weitsicht und mit Lust auf Entdecken. Was gibt es denn noch? Und das ist auch so ein bisschen meine Aufgabe, weil Menschen, die… Nee, der Nachteil ist, dass du dann möglicherweise ganz viele Sachen auf dem Zettel hast. Das heißt, du musst dann lernen, eine Wiedervorlage zu haben oder zu sagen, nee, mache ich nächstes Jahr. Oder ich schreibe mir das mal dahin und gucke noch mal, wann. Oder festzustellen, gut, dass ich da mal hingeguckt habe. Das kann elementar wichtig sein. Weil durch Interesse fangen wir an, Dinge zu entdecken. Im wahrsten Sinne, Ent-decken heißt ja, die Decke wegtun. Es war ja da, es ist nur nicht sichtbar.Und jetzt kann ich es betrachten. Da steckt das Wort achten übrigens drin. Ja, sind wir bei Achtsamkeit und Aufmerksamkeit. Und jetzt beschäftige ich mich damit und kann überlegen, passt es oder passt es nicht. Und das ist eine grundlegende Fähigkeit, die wir in der Schule abgewöhnt bekommen, weil man uns einen Lehrplan vorgibt. Ein Lehrplan zerstört Interesse. Klingt jetzt ein bisschen disruptiv, ist aber eigentlich total logisch. Wenn ich jemandem vorgebe und ihn gut benote, wenn er exakt das macht, was vorgegeben ist, ja, stört ja das Interesse, weil er sich mit anderen Dingen sonst möglicherweise beschäftigt. Und ich wundere mich, dass er sich nicht dafür interessiert, was ich ihm vorgebe. Das ist eine Ambivalenz. Wir sind ja hin- und hergerissen. Wir wollen ja gemocht werden. Wir wollen nach gut abschneiden. Wir wollen ja durchkommen. Aber der Nachteil ist eben, dass der Muskel, ein Wert ist ja auch wie so eine Art Muskel. Den kann man ja trainieren. Wenn Interesse nicht trainiert wird oder nicht gewünscht ist, dann verschwindet es. Und Interesse ist einer der wichtigsten sogenannten Aktivierer. Es gibt aktivierende Werte.
Anna
Und man sieht ja auch an dem Umfang der Werte-Enzyklopädie dein Interesse an den Werten und den Worten, weil du ja auch immer alles genau in die Tiefe recherchierst, wo es herkommt, wo der Ursprung ist. Also das ist ja ein schönes Beispiel, wie dein Interesse sich dann im Unternehmen manifestiert.
Frank
Das ist schon auch Leidenschaft. Und das ist auch schon ein bisschen Gaga, was ich da gemacht habe. Im Nachhinein, ich habe keine Ahnung, wie ich das gemacht habe.
Anna
Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander, Frank.
Frank
Ja, so will ich das gar nicht sagen. Das ist einfach total bekloppt. Aber im Moment, dadurch, dass ich da ein Talent habe, das Wort Talent ist für uns genau beschrieben, was das heißt, habe ich meine Rolle in der Gesellschaft gefunden. Mein Job ist es, diese nerdige Arbeit zu machen und das so komprimiert zusammenzustellen, dass es andere leichter haben. Und so haben andere Menschen andere Jobs.
Anna
Das ist auch ein sehr wichtiger Punkt.
Frank
Erfüllend, wenn man sein Talent, man muss auch manchmal unangenehme Dinge tun, aber wichtig ist, dass wir die Werte und auch verknüpft mit den Talenten, mit den Neigungen, die wir haben, finden und in unserem Alltag und im Beruf integrieren und uns da ausleben können, weil das ist Produktivität. Und dann sind wir ein Teil der Gesellschaft und das ist wieder sehr sozial. Deswegen machen wir übrigens auch, ganz nebenbei, wertebasierte Funktionsorganigramme. Wo genau, also daraus, also ich frage nie, habt ihr Stellenbeschreibungen? Ja, ja, die müssen mal überarbeitet werden. Sag ich, nee, lass mal stecken. Macht lieber ein gutes Organigramm, wo die Funktionen drinstehen, wo die Arbeitsabläufe drinstehen. Und dann tun wir in jedem einzelnen Unternehmensbereich, da definieren wir ganz spezifische Werte, weil andere Abteilungen haben andere Werte. Der Vertrieb darf nicht die gleichen Werte haben wie die Technik. Und die Buchhaltung. Jetzt haben wir die Dreiklassiker.
Anna
Das ist übrigens auch ein ganz spannendes Thema. Ich komme ja aus der Werbung und dem Marketing. Und Marketing und Sales sind zwei Abteilungen, die gefühlt unterschiedliche Werte haben und wo traditionell eigentlich immer ein Kampf ist und immer die einen auf die anderen schimpfen, weil sie gefühlt andere Werte haben, obwohl sie sich gar nicht so unterscheiden. Das ist wieder so ein bisschen, wie du das vorher beschrieben hast, von den Lehrern, die dafür und dagegen sind, ist Sales und Marketing eigentlich zusammen, reden das aber nicht aus und sind deswegen gegeneinander.
Frank
Ja, aber jetzt stell dir vor, wir haben für beide Bereiche deren Werte, die der Rolle entsprechen und auch dem Personentyp entsprechend definiert, haben offenbart, dass die unterschiedlich sind, machen einen Haken dran und machen eine Flasche Schampus auf, dass wir froh sind, dass die unterschiedlich sind. Und dann überlegen wir, wie interagieren diese Werte. Das machen, wie du weißt, das können wir jetzt nicht ausführen, aber genau das machen wir ja in unserer Wertearbeit. Dass wir aufzeigen, was sind andere Werte, die die nicht haben, die diese Werte miteinander verknüpfen. Und die geben wir denen dann quasi als fehlender Baustein. Wie zum Beispiel Interesse. Wenn dich Vertrieb immer mehr interessieren würde für das, was die da machen, die komischen Leute, könnte es sein, dass sie ein höheres Verständnis haben und eigentlich ganz froh sind, dass die den Scheiß machen.
Anna
Und es bringt dann am Ende des Tages auch einfach mehr Umsatz. Also es hat auch ganz harte faktische Benefits.
Frank
Wertearbeit bringt Wertschöpfung, immer auch monetär. Aber das ist die Reihenfolge.
Anna
Das ist das Ergebnis.
Frank
Erst kommt der quasi ideelle Wertschöpfungsprozess, der auch sozial interagierend verschiedene Rollen miteinander kombiniert. Und daraus resultiert immer eine unglaubliche Umsatzsteigerung. Auch wenn mir die meisten, gerade der Mittelstand, sagt, wie soll denn das gehen? Dann musst du mir jetzt mal drei Wochen lang zuhören und dann weißt du genau, wie es geht.
Anna
Das fügen wir jetzt noch zu den Gründen am Anfang mit dazu, warum man Wertearbeit machen soll als Unternehmer.
Frank
Ja, das habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben. Da hätte ich mir gerade das eingefallen. Du siehst, ich mag das, wie du so strukturiert bist. Das bin ich ja gar nicht.
Anna
Gibt es denn Werte, die für dich, abgesehen von Interesse, absolut unverhandelbar sind? Wo du sagst, diese Werte sind für dich persönlich?
Frank
Humor. Ja, aber Humor nicht mit Freude und Spaß verwechseln. Weil Humor kommt etymologisch aus humeur. Das heißt feucht. Im übertragenen Sinne feuchter, lockerer, leichter Nährboden. Humus. Das ist das Gleiche. Die sind verwandt miteinander. Und Humor fehlt in unserer Welt. Das ist wohl wahr.
Anna
Und angeblich haben wir Deutschen ja keinen Humor.
Frank
Doch, alle haben Humor. Das steckt in uns drin. Das wird aber oft mit Sarkasmus oder mit Zynismus oder mit, wie heißt das andere Ding, Ironie. Ironie ist jetzt noch das gar nicht so Schlimme, nur Sarkasmus zerstört. Sarkasmus ist ein Zerstörer.
Anna
Und da sind wir wieder beim offenen und ehrlichen Feedback. Weil würde man offenes und ehrliches Feedback kultivieren und pflegen, bräuchte man weniger Sarkasmus. Weil Sarkasmus entsteht ja oft, weil die Leute sich nicht erlauben, das zu sagen, was sie gerne sagen würden.
Frank
Und dann sarkastisch werden. Die verstecken sich hinter ihrem Sarkasmus. Und Sarkasmus ist ja immer eine Erniedrigung. Eine Herabwürdigung. Und die ist oft so intelligent, dass es geil ist. Aber es ist halt intelligent. Also nicht intelligente Menschen sind nicht fähig, sarkastisch zu sein. Aber es ist nicht menschenfreundlich. Es ist nicht humanistisch. Aber manche sind ja so erzogen worden. Die sind ja so aufgewachsen. Dieses Frotzeln. Kennst du das? Das ist einfach krank. Das ist nicht gut.
Anna
Da ist immer wieder bei der Persönlichkeit versus Charakter. Ich habe jetzt noch zwei Fragen zum Bereich Familienunternehmen. Was würdest du denn Nachfolger und Nachfolgerinnen in Familienunternehmen raten, die mit den Erwartungen und Werten der Vorgängergeneration kämpfen?
Frank
Also die Jungen kämpfen gegen die Wertvorstellungen der älteren Generation.
Anna
Nicht unbedingt dagegen, sondern eventuell auch mit. Das sind ja zwei verschiedene…
Frank
Gut, alles klar. Das, was ich vorhin schon, glaube ich, angedeutet habe, die Andersartigkeit, das ist ja eine Andersartigkeit zu unseren Werten, da… Also ich mache es jetzt erst mal wertesystemisch. Wertesystemisch würde ich sagen, lasst uns mal im Lexikon nachschauen, was Toleranz heißt. Toleranz heißt im übertragenen Sinne, jetzt nicht rein sprachwissenschaftlich, aber was es daraus resultierend bedeutet, heißt Toleranz: Spielraum. Und Toleranz ist nicht Akzeptanz. Das heißt, ich kann die Werte einer anderen Generation nicht akzeptieren, aber ich kann sie tolerieren. Jetzt mache ich den Raum auf, diesen Spielraum zu schaffen und zu sagen, okay, wenn dieser Spielraum auf ist, nur in diesem Raum, beschäftige ich mich damit, was möglicherweise gut daran ist, an dem anderen. Also das, was ich gerade erkläre, kannst du auf Rassismus, Fremdenfeindlichkeit genauso anwenden. Oder jedes andere oppositionelles Gehabe. Und nur durch, indem ich Toleranz lebe, mehr oder weniger, erst mal, mache ich den Raum auf, zu sagen, jetzt gucke ich mir das mal an. Gerne mit einer kritischen Brille. Und dann analysiere ich, okay, für was ist das gut? Für was ist das nicht gut? Was soll bleiben? Und was müssen wir ändern? Also im Unternehmen. Aber wir müssen, und das ist das, was ich jedem, das sage ich auch den Alten, weil sie gegenüber den Jungen genauso drauf sind, meistens sogar noch schlimmer übrigens. Und damit ist übrigens erklärt, woher das eigentlich kommt. Weil die Generation davor hat immer verursacht, wie wir heute drauf sind. Und das müsste man den Alten vielleicht mal erklären.
Anna
Falls sie es hören wollen.
Frank
Das ist jetzt die Frage, wie geschickt der Wertecoach ist. Und das mache ich ja, indem ich sage, lass uns mal über Toleranz reden. Was heißt das? Ja, Toleranz heißt ja, nee, ich muss ja nicht alles akzeptieren. Was ist der Unterschied zwischen Akzeptanz und Toleranz? Also ich gehe jetzt Wertesystem, ich gehe jetzt wirklich operativ mit den Worten rein und sage, lass uns die definieren. Und das Lustige ist, bei denen explodieren die Synapsen. Das ist ein Prozess, das dauert ein bisschen. Manchmal haue ich den Spruch einfach nur raus und sage, guckt euch das mal an. Und eine Woche später kriege ich einen Anruf oder beim nächsten Meeting, sag ich, ich habe mir das mal angeguckt, das ist ja interessant. Toleranz ist ja was ganz anderes als Akzeptanz. Was sagt uns diese Erkenntnis? Dass du etwas tolerieren kannst, obwohl du es nicht akzeptierst. Und da Toleranz ja, also Akzeptanz heißt ja vollständige Übereinstimmung. Toleranz heißt Spielraum. Jetzt habe ich den Spielraum. Ich, du darfst Ursache sein, dass du dem den Spielraum gibst. Und das ist ja das, was der Mensch eigentlich von Hause aus will, nämlich er will nicht Wirkung, sondern Ursache sein. Also beide wollen Ursache sein. Und daraus entstehen ja diese Oppositionellen, das Ganze komplett eins zu eins auf die Politik übertragen. Und die sind ja ständig Ursache und sorgen dafür, dass andere in Wirkung gehen. Und das ist Macht, das ist Kontrolle. Und das will eigentlich jeder Mensch. Das machen auch kleine Babys. Die schreien so lange, bis sie was zu essen kriegen. Und dann sind sie Ursache. Und wir Eltern sind Wirkung. Und dieses Prinzip setzt sich unser ganzes Leben lang durch. Und das muss man halt auch mal verstehen. Und da geht es nicht um Schuld. Das Wort Schuld ist ja bei uns verboten. Vielleicht erinnerst du dich.
Anna
Ich habe das schon vor langer Zeit gestrichen.
Frank
Okay, alles klar. Aber ich sage denen, der ist aber schuld. Nein, es gibt keine Schuld. Es gibt nur Ursächlichkeit und Verantwortlichkeit. Ursache und Wirkung. Und die wird ständig verwechselt. Und wenn du sagst, ja, aber der! Und dann sage ich, das interessiert mich nicht. Nimm ihn, wie er ist, und guck, was du machen kannst, dass er auf dich reagiert. Und zwar konstruktiv.
Anna
Bei uns im Tanzkurs, für alle, die das nicht wissen, ich unterrichte noch Swingtanz nebenbei, da habe ich einfach die Regel eingeführt, es ist immer der Boden schuld. Weil somit habe ich mal kollektiv die Schuldfrage geklärt. Weil der Boden ist immer schuld. Ich meine, egal was. Ja, egal was es ist, der Boden ist immer schuld. Somit haben wir einen Schuldigen und müssen nicht weiter darüber diskutieren, wer jetzt schuld ist. Das hilft auch.
Frank
Das ist eine gute Metapher. Wobei ich halt ein Stück weitergehe und sage, die Schuldfrage ist absolut irrelevant.
Anna
Korrekt, nur um diese Erkenntnis zu haben und das wirklich anzunehmen, weil wir ja immer – wieder bei der Persönlichkeit so drauf geprägt sind, dass es einen Schuldigen geben muss, weil wenn ich schuld wäre, hätte ich was falsch gemacht und das darf ja nicht sein, ist es manchmal leichter, erst mal einen völlig unwichtigen Schuldigen zu nehmen, als diese Thematik komplett zu erklären und verständlich zu machen.
Frank
Es ist schwer. Ich hatte in Workshops mal Juristen und die haben vehement widersprochen. Und dann habe ich eine Lösung gesucht und die Lösung habe ich dann gefunden und habe gesagt, Werte finden auf der Ebene Recht statt, auf der Ebene Moral und auf der Ebene Ethik. Und wenn wir Wertearbeit machen, dann geht es um Moral und Ethik, aber nicht um Recht. Nicht, dass es das Recht nicht gibt, im Recht gibt es übrigens Schuld. Und da gibt es auch Absichtliches, also etwas absichtlich verursacht, kaputt machen, eine strafbare Handlung, das gibt es. Und da ist das Wort Schuld angebracht. Aber auf der Ebene Ethik gibt es keine Schuld, sondern nur Ursache und Wirkung. Und das erfordert jetzt natürlich eine andere Rhetorik, die voraussetzt, dass wir so denken lernen. Und dass wir diese Begrifflichkeiten schärfer benutzen und sagen, okay, was ist neben der Schuld etwas, das völlig unemotional ist? Und das ist Ursache und Wirkung. Und nochmal, die wird, und das ist die nächste Erkenntnis, oft verwechselt.
Anna
Ich nenne das meistens Aktion und Reaktion.
Frank
Das ist Teil des Prinzips.
Anna
Genau, was dann einfach andere Aspekte, aber gleich eine Mechanik beschreibt. Meine zweite Frage zum Thema Familien und Unternehmen ist, wie können Werte dabei helfen, die Identität eines Familienunternehmens in die nächste Generation zu übertragen?
Frank
Wie können die Werte dabei helfen, dass sie selber übertragen werden?
Anna
Die Identität, dass die Identität eines Familienunternehmens, weil was ja manchmal passiert, dass bei Übernahme alles…
Frank
Ja, ich weiß, was du meinst. Ich fange mal anders an. Der grundlegend erste Fehler, den viele Junge machen, wenn sie das Amt entweder direkt übernehmen oder der Prozess beginnt, ist, sie wollen alles anders machen. Ja. Das ist der grundlegend erste Fehler. Ich habe solche Prozesse ja begleitet und habe gesagt, ihr macht genau das, was die Alten machen. Nee. Ich warte seit fünf Jahren darauf, endlich mal neue ERP-Systeme einzuführen und die Website zu überarbeiten. Und da sage ich, warte noch. Analysiere erst mal, und das ist das, was ich vorhin auch sagte, was hat Bestand und was muss bewahrt werden. Ja, und auf diesem Fundament kannst du dann gerne alles neu machen, aber erst in dieser Reihenfolge. Ja, und dieses Zwanghafte, das ist ein Generationsthema irgendwie, tiefenpsychologisch, dass Junge immer alles anders machen wollen als die Alten.
Anna
Das ist auch was, was ich in meiner Arbeit merke, weil wenn viele kommen und sagen, ja, wir brauchen Rebranding, das ist oft der Grund, warum die Leute kommen, und ich fange ganz vorne an mit den Werten und der Vision und allem, dass ich immer sage, ich habe keine Ahnung, was passiert. Es kann sein, dass sich alles ändert, und es kann sein, dass sich nichts ändert. Wir schauen alles mal an, drehen alles um und schauen, was passiert.
Frank
Ich habe gerade einen aktuellen Fall. Architekturbüro, Papa steigt aus, Ende des Jahres will er weg sein, der Junior übernimmt. Und der Junior hat Gott sei Dank nicht, ich bin halt jetzt sein Coach und der hört auf mich, hat er nicht gleich alles geändert. Und jetzt analysiert er die Firma. Mein Trick war, ich habe gesagt, du baust jetzt ein Organigramm. Und jetzt sitzt der seit Wochen da und baut ein Organigramm, wo er eigentlich nur abbildet, was ist vorhanden. Und dann sagt ich so, und jetzt demnächst machst du ein Meeting mit deinem Papa zusammen, wo du vorher deinem Papa das natürlich zeigst und sagst, guck mal Papa, ich habe mal das gemalt, was du die ganze Zeit im Kopf hast. Weil ich habe ja alles im Kopf. Kennen wir ja. Und das ist ein Trick, wie er etwas Neues macht, das fehlt. Er macht nur was, was fehlt, also er zeichnet eigentlich nur auf, was im Kopf ist. Wir kennen ja den Begriff Kopfmonopol. Und damit wird es transparent und jetzt hat er den Wert Transparenz implementiert. Einfach nur dadurch, dass er etwas offenbart. Also er hat was Neues gemacht, aber er hat die Firma nicht verändert.
Anna
Ja, ein guter Punkt. Was auch total wichtig ist, für die Mitarbeiter dann, die sozusagen gegen Veränderungen sind, für dass das was Neues kommt, ohne die ganze Firma zu verändern, die kann man dann natürlich auch viel leichter mitnehmen, als wenn man alles auf den Haufen schmeißt.
Frank
Weil, jetzt kommt das Nächste, ich habe ihn dann gefragt, was passiert eigentlich, wenn der Papa nicht mehr da ist? Da sagt er, das ist schon nicht so einfach, weil der ist bekannt wie ein bunter Hund. Und das jetzt auf das Thema Identität. Ist das ein Personal Brand? Und viele mittelständige Unternehmen, oder viele Familienunternehmen, ist ja, kommt auf an, wie die Familienstrukturen sind, aber die Gründer, sie haben ja die Identität gestiftet und sie ist mit ihrer Person verknüpft. Der Vorteil, den Familienunternehmen haben, nicht immer, aber meistens, der Name bleibt wenigstens gleich, wenn der Name auch gleichzeitig Brand ist, das ist ja auch nicht immer der Fall. Und deswegen ist es ein Prozess, und ich sage, es braucht mindestens zwei Jahre, bis diese Identität auf die nächste Generation mindestens zwei Jahre.
Anna
Der Vorteil, wenn man jetzt nicht alles verändern muss, weil die Herausforderung ist ja, die ich bei mir gesehen habe und die ich bei vielen Familienunternehmerinnen in meinem Bekanntenkreis sehe, bei meinen Kunden, dass die Nachfolger sofort oft ins operative Tagesgeschäft einsteigen und eigentlich schon völlig ausgelastet sind und gar nicht viel Kapazität haben, noch dazu eigentlich alles verändern wollen und dann völlig überlastet sind, wenn dieser Druck wegfällt, sofort alles ändern zu müssen, sondern erst mal zu schauen, was ist eigentlich da, wird das Ganze nicht nur entspannter und auch achtsamer mit sich umzugehen, sondern auch noch erfolgreicher.
Frank
Ja, also das wird jetzt zu weit führen, aber ich gebe dann den ganz profanen Hinweis, macht euch Stundenpläne. Ein Tag die Woche ist keine operative Arbeit, ein Tag die Woche ist Transformation zum Unternehmer, zum Chef.
Anna
Und das ist was, was wir ja alle kennen, wenn man sich es nicht einträgt, die Zeit dafür kommt nie von selber, die muss man wirklich priorisieren und sich nehmen.
Frank
Es ist so simpel, in der Schule hatten wir Stundenpläne. Montags um neun Uhr ist Mathe.
Anna
Aber die Lehrer sind von selber wieder gegangen.
Frank
Es geht einfach im Prinzip sein Leben zu gestalten, indem wir von Woche zu Woche uns die Tage für Dinge reservieren. Ja, und dabei relativ konsequent bleiben. Das ist reine Disziplin.
Anna
Zwei Fragen habe ich noch. Wenn Werte ein Team bilden, welcher Wert wäre dann Motivator, wer wäre der Kritiker und welcher Wert würde für den Zusammenhalt sorgen?
Frank
Motivator ist ganz klar Begeisterung. Oder Inspiration ist übrigens auch ein Wert. Ja, was lustigerweise exakt das gleiche Wort ist. Weil beides Geist-Einhauchen heißt. Kritiker ist, wäre jetzt zum Beispiel Neutralität. Das ist so eine offene Kritik, die aber keine Position einnimmt. Also nicht Bewertendes. Oder der Wert Präzision. Zum Beispiel fällt mir jetzt ein. Müssen wir mal gucken, was es da vielleicht noch für Synonyme gibt.
Anna
Und wer sorgt für den Zusammenhalt?
Frank
Teamgeist ist ein Wert. Ja, wobei Teamgeist ist Ergebnis, ein Ergebniswert. Wir brauchen jetzt einen Erlebniswert.
Anna
Kauft euch das Buch, wenn ihr das alles wissen wollt oder schaut auf der Webseite vorbei.
Frank
Das ist tatsächlich Interesse auch.Es ist aber auch Toleranz. Es ist aber auch Zuneigung. Wobei ohne Interesse keine Zuneigung. Und natürlich der Klassiker Empathie. Höflichkeit. Freundlichkeit. Wobei ich die Freundlichkeit bevorzuge. Weil Höflichkeit heißt, sich so zu verhalten, wie es am Hofe erwartet wird. Und Freundlichkeit heißt, jemanden so zu behandeln, als ob es ein Freund wäre.
Anna
Gute Differenzierung. Letzte Frage für heute. Wenn du die Macht hättest, einen Wert in jedes Unternehmen der Welt zu integrieren, welcher wäre das und warum?
Frank
Wir haben ja noch gar nicht über Wertesysteme gesprochen. Aber das sind keine Werte, sondern ein Wertesystem. Ein sogenanntes begriffliches Wertesystem. Das ist das Motto der Values Academy. Wir bringen Menschlichkeit ins Unternehmen. Aber Menschlichkeit ist ein Wertesystem, das je nach Kultur aus unterschiedlichen Werten bestehen kann. Oder auch je nach Alter oder nach Rolle. Ich bleibe bei Humor und Interesse. Humor macht alles leichter. Jetzt kennen wir ja die Definition. Lockerer, leichter Nährboden. Vielleicht auch Gelassenheit. Ich weiß es nicht. Eigentlich alle.
Anna
Sehr gut. Das ist doch ein schönes Ende. Ich danke dir sehr, dass du dir heute Zeit genommen hast, lieber Frank.
Frank
Sehr gerne, für dein Interesse.
Anna
Immer. Und für alle, die mehr erfahren wollen, ich verlinke alles in den Shownotes. Vielen Dank, lieber Frank.
Frank
Ciao, liebe Anna. Bis bald.